Neben der Bausubstanz aus acht Jahrhunderten ist es vor allem das hochkarätige gartenkünstlerische Erbe, auf dem die kulturhistorische Bedeutung und die besondere Ausstrahlung der Abtei Ossegg gründen. Im Gegensatz zu vielen anderen vergleichbaren Anlagen sind hier neben den Klostergebäuden auch die Gärten in ihrer baulichen Substanz und Dimension nahezu vollständig erhalten. Betrachten Sie die historische Vedute aus dem Jahr 1738 und Sie werden die meisten architektonischen Elemente auch heute im Original wiederfinden.
Gärten existierten in Ossegg - wie allgemein bei Zisterziensern üblich - seit der Gründung des Klosters im 12. Jahrhundert. Nach wie vor erlebbar ist der mittelalterliche Raumeindruck des Paradiesgartens inmitten des gotischen Kreuzganges. Die mittelalterlichen Obst-, Gemüse- und Kräutergärten des Klosters sind heute nicht mehr nachweisbar. Die frühen Traditionen des Obstbaus sind in Ossegg aber noch immer lebendig.
Vor allem in den großen repräsentativen Gartenanlagen vom Beginn des 18. Jahrhunderts finden Einfluss und ökonomische Stärke des Klosters ihren Ausdruck. Unter Abt Hieronymus Besnecker entstehen seit 1726 der Abtgarten, der Konventgarten und der Novizengarten, die reich ausgestattet mit Pavillons, Wasserbecken, Fontänen, Parterres und Figurenschmuck ihren weltlichen Nachbarn in keiner Weise nachstehen.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts werden die barocken Schmuck-Parterres im landschaftlichen Stil umgestaltet, die baulichen Anlagen, axialen Verbindungen und Sichtbeziehungen bleiben jedoch erhalten. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts präsentiert sich der Abtgarten wieder formal mit geschnittenen Kastanien, Buchskugeln, Rosenbeeten, Lindenalleen und bunt bepflanzten kreisrunden Schmuckbeeten.
Letzte Umgestaltungen der Gärten sind aus den Jahren 1923 bis 1926 belegt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird das Kloster Opfer einer gezielt antikirchlichen Politik der tschechischen Kommunisten und verliert hierdurch seine wirtschaftliche Grundlage. Zwar nutzen die im Kloster internierten Nonnen die Flächen des Konventgartens zum Obst- und Gemüseanbau, können sich der Pflege der historischen Substanz aber kaum widmen.
Die Gärten verwahrlosen zusehends. Nachdem das Kloster 1964 zum Kulturdenkmal ernannt wird, beginnt die Staatliche Denkmalpflege in den 70er Jahren mit groß angelegten Renovierungsarbeiten, die jedoch mit der Wende abrupt enden und einen bis heute weitgehend ausgeräumten Abtgarten hinterlassen. 1995 wird das Kloster mit seinen Gärten zum Nationaldenkmal der Tschechischen Republik erhoben.
Der großartige architektonische Rahmen der barocken Gärten blieb trotz vieler Umgestaltungen und Vernachlässigung bis heute erhalten. Und die in den letzten Jahren kontinuierlich durchgeführte Pflege ermöglicht es wieder, sich ein Bild über die architektonische Struktur machen zu können.
Der repräsentative Garten für den Abt und seine Gäste wird ab 1726 vermutlich nach Plänen von Octavian Broggio auf einer kleinen Terrasse vor der Prälatur errichtet - mit Blumenparterres, Springbrunnen und den beiden seitlichen Gartenpavillons. Bis Ende des 18. Jahrhunderts wird auf insgesamt vier Terrassenstufen schrittweise ein dramatisch gestufter Barockgarten entwickelt, mit zahlreichen Wassereffekten, Treppenanlagen, Wandelgängen und reichem skulpturalen Schmuck. Erst in den 1780er Jahren finden die Erweiterungen ihren Abschluss mit der Sala Terrena, einem Gartensaal am Ende der 270 Meter langen Gartenachse.
Das ausgeklügelte historische Wassersystem des Klosters nutzt die Vorteile der Topographie auf unterschiedliche Weise: Inmitten der Stützmauer zwischen zweiter und dritter Terrasse befand sich eine Kaskade mit zwei wasserspeienden Pferden, Fontänen akzentuierten die Nebenachsen. Ein großes Wasserbecken prägt die Atmosphäre des oberen Abtgartens.
Der Konventgarten für die Mönche des Klosters entsteht ab 1728 und ist geprägt von zwei großen, ruhigen Ebenen, die ursprünglich in aufwendig bepflanzte Parterreflächen unterteilt waren. Kleine Fontänen belebten den Gartenaufenthalt. Der Gartensaal des Konvents und die grottenähnliche Kapelle in der südlichen Umfassungsmauer der Klosteranlage beschreiben die Hauptachse des Gartens. Eine Balustrade mit ausschwingender Treppe bildet die Querachse des Barockgartens, die seitlich in reich mit Attiken, dekorativen Vasen und allegorischen Statuen geschmückten Pavillons endet. Vom Westpavillon führt eine zweiarmige Treppe in den Novizengarten. Dieser liegt erhöht und bietet interessante Blickbeziehungen in den Konventgarten. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde der Novizengarten vergrößert und ein vormals außerhalb des Klostergeländes liegender Fischteich integriert. Heute sind weite Teile beider Gärten mit Obstbäumen bepflanzt.
Der Obstgarten nimmt den gesamten südöstlichen Teil des Klosterareals ein. Hier wachsen unzählige Apfel- und Birnbäume, die im Herbst eine reiche Ernte bringen. Teile des Gartens sind heute als Gehege für Damhirsche eingezäunt. Außerhalb der Klostermauer liegt der Große Küchengarten. Er wurde 1661 als Nutzgarten angelegt und ist bis heute ähnlich parzelliert wie auf der Vedute von 1738. Das stattliche Tor zum Küchengarten, der heute von Ossegger Bürgern zum Gemüseanbau genutzt wird, liegt direkt gegenüber der Klosterpforte. Im oberen Teil existiert noch der alte Klosterfriedhof für verstorbene Konventmitglieder.